Apokryphe Evangelien: Was sie sind und die Unterschiede zu den kanonischen Evangelien

Apokryphe Evangelien: Was sie sind und die Unterschiede zu den kanonischen Evangelien

Die apokryphen Evangelien sind nicht Teil des Neuen Testaments: Was unterscheidet sie von den Evangelien nach Markus, Matthäus, Lukas und Johannes, die als kanonisch gelten?

Dank der Erzählungen im Matthäus– und Lukasevangelium wissen wir alle, dass Jesus in Bethlehem geboren wurde. Aber woher stammen die Bilder von der Höhle, dem Ochsen und dem Esel neben der Krippe, die Jesus mit ihrem Atem wärmen? Diese Details finden sich nicht im Lukas- und Matthäus-Evangelium, sondern in den apokryphen Evangelien. Das Wort „apokryph“ kommt aus dem Griechischen und bezeichnet etwas, das versteckt gehalten wird und nicht in Gebrauch ist. Im christlichen Kontext wird es für Texte verwendet, die nicht Teil der vier kanonischen Evangelien sind und nicht als Teil des Neuen Testaments anerkannt werden.

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Die apokryphen Evangelien

Bei den apokryphen Evangelien handelt es sich um meist fragmentarische Texte, die Fakten aus der Geschichte Jesu und seines Umfelds erzählen, aber vom Lehramt der Kirche nicht als kanonisch anerkannt wurden. Diese Texte entstanden nach dem apostolischen Zeitalter, d. h. in den Jahrzehnten nach der Verkündigung der Apostel und der Gründung der ersten christlichen Gemeinden, wahrscheinlich aus dem Bedürfnis heraus, die christlichen Lehren mit zusätzlichen Informationen und Erklärungen zu bereichern.

Die meisten apokryphen Evangelien verfälschen die in den vier kanonischen Evangelien beschriebenen Fakten nicht, sondern fügen Interpretationen oder Anekdoten von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt hinzu. In einigen Fällen entstanden die apokryphen Evangelien unter dem Einfluss anderer Denkströmungen wie dem Gnostizismus, die als häretische Positionen galten, die nicht mit der Lehre der Kirche übereinstimmten.

Die Apokryphen werden in verschiedene Gruppen eingeteilt:

  • Kindheitsevangelien befassen sich mit der Kindheit Jesu und den Gestalten von Maria und Josef
  • Jüdisch-christliche Evangelien sind bei der Interpretation des Lebens Jesu vom Spätjudentum inspiriert
  • Gnostische Evangelien sind von der Strömung des Gnostizismus beeinflusst
  • Passionsevangelien konzentrieren sich auf die Passion Christi
  • Andere apokryphe, fragmentarische, verlorene und gleichnamige Evangelien

Unterschiede zwischen kanonischen und apokryphen Evangelien

Man nimmt an, dass die apokryphen Evangelien ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. und damit zu einem viel späteren Zeitpunkt als die Verkündigung der Apostel geschrieben wurden. Bei den kanonischen Evangelien hingegen werden die drei synoptischen Evangelien alle auf die zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts und das Johannes-Evangelium, das jüngste, auf die Zeit zwischen 95 und 110 n. Chr. datiert. Der zeitliche Abstand der Abfassung der apokryphen Texte lässt Zweifel an der Echtheit der darin enthaltenen Botschaften aufkommen, da sie kaum auf die direkte Lehre der Apostel zurückgeführt werden können.

Um die theologische Akzeptanz der neutestamentlichen Texte zu bestimmen, hielt sich die frühe christliche Kirche an vier wesentliche Prinzipien:

  • Die heilige Überlieferung
  • Apostolische Autorschaft: der Text muss den Aposteln oder Personen, die in engem Kontakt mit ihnen standen, zugeschrieben werden können
  • Liturgische Verwendung: Der Text wurde in den Liturgien der frühen christlichen Gemeinden verwendet.
  • Orthodoxie: Der Text muss die dogmatischen Wahrheiten des Glaubens respektieren, wie die Einheit und Dreifaltigkeit Gottes und die gemeinsame Anwesenheit der menschlichen und göttlichen Natur in Jesus Christus.

Ein weiterer Unterschied zwischen apokryphen und kanonischen Evangelien liegt in der literarischen Form und im Inhalt. Die apokryphen Evangelien zeichnen sich häufig durch detailreiche, legenden- oder fabelhafte Erzählungen aus, die offenbar aus der Volksfrömmigkeit heraus entstanden sind.

Apokryphe und gnostische Evangelien

Wie bereits erwähnt, beziehen sich einige der apokryphen Evangelien auf den Gnostizismus. Dabei handelt es sich um eine philosophische und spirituelle Strömung, die zum Teil auch mit den alten esoterischen Religionen verbunden ist und der zufolge die Seele durch ein höheres und erleuchtetes Wissen gerettet wird, das aus persönlicher Erfahrung und der Suche nach der Wahrheit stammt. Von Anfang an wurden die christlich-gnostischen Auslegungen von der Kirche als häretisch betrachtet: Nach der kirchlichen Lehre kann sich der Mensch nicht selbst retten, sondern braucht den Erlöser.

Hier sind die wichtigsten gnostischen Apokryphen:

  • das griechische Evangelium der Ägypter
  • das Evangelium von Matthias
  • das Evangelium der Maria Magdalena
  • das Evangelium von Judas
  • die Apokryphen von Johannes
  • die Sophia (Weisheit) von Jesus
  • das Evangelium von Thomas
  • das Evangelium von Petrus

Das Judas-Evangelium haben wir bereits in unserem Artikel über Judas Iskariot behandelt. Dieser Text, der von einer gnostischen Grundlage ausgeht, behauptet, dass der Verrat eine Mission war, die Judas von Jesus selbst anvertraut wurde. Die Apokryphen, die dem heiligen Matthias, dem heiligen Johannes und dem heiligen Petrus zugeschrieben werden, sind ein Beispiel für eine pseudo-epigraphische Zuschreibung: Die Autoren wurden fälschlicherweise für die drei Apostel gehalten.